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La filigrana del vuoto

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Ausstellung von Malereien von Thomas Scalco

"LA FILIGRANA DEL VUOTO"
von Thomas Scalco

22.09.2018 - 07.10.2018
Vernissage: 21.09.2018 um 19.00 Uhr

Das ganze Problem besteht darin, an den Grenzen des Nichts, dieses Nichts zu materialisieren, an den Grenzen der Leere, das Filigran dieser Leere aufzuzeichnen, sich an den Grenzen der Gleichgültigkeit nach den geheimnisvollen Regeln der Gleichgültigkeit zu bewegen.
Jean Baudrillard (1)
Worin besteht die Faszination für die Geometrie und warum hat das Vorhandensein der durch Regelmäßigkeit gekennzeichneten Gegenstände einen so intensiven Einfluss auf das menschliche Gemüt? Während man in der natürlichen Welt auf Ungenauigkeit und Formbarkeit der organischen Formen trifft, erscheinen uns die Genauigkeit einer Linie oder das Brechen eines Winkels wie eine Anwesenheit aus einer anderen Welt, die in unsere eindringt wie ein unbekannter Besucher. Was wird der erste Mensch verspürt haben, wenn er vor Profilen stand, die anscheinend nicht Teil des Chaos sind, das im größten Teil der Natur vorhanden ist? Und welche Formen dieser Art könnte er gesehen haben? Vielleicht die der Minerale, die Linie des Horizonts, die des Meeres, die Sichel oder den perfekten Mondkreis, den von der Sonne gespaltenen Globus, oder seine ersten Verwirklichungen, verhüllt in einer überirdischen Aura...
All dies ist vielleicht der Ursprung der Heiligkeit oder des fremden Aspekts, den man bei der Begegnung mit einer reinen Form innerhalb der Realität wiedererkennt. Das Eindringen der Geometrie ins formlose Chaos der Welt wird zur Konfrontationsmöglichkeit mit der Andersartigkeit, indem von Mal zu Mal die Eigenarten des Spirituellen, des Überirdischen, des Unbekannten wahrgenommen werden.
Es ist das, was auch in den Bildern von Thomas Scalco passiert, in denen die formlose und chaotische Vorbereitung der Leinwand Platz für das Entstehen sanfter Formen lässt, die von zerbrechlicher Durchsichtigkeit, aber auch von der Entschlossenheit gekennzeichnet sind, dem Chaos mit sauber - präzisem Profil entgegen zu wirken. Vom Künstler auf undurchschaubare Weise zusammengesetzte, durchscheinende Edelsteine mit spitzen Kanten, die, zwischen dunklem Laubwerk von Wäldern, auf gewisse Weise aggressiv wirken und so dem Rätsel noch weitere Rätsel hinzufügen. Stanley Kubrick hätte 1968, in "2001: A Space Odyssey/ Odyssee im Weltraum",keinen genialeren Schachzug vollziehen können, als er beschloss, einen minimalistischen, schwarzen Monolith zu verwenden, um den Kontakt des Menschen, mit den Grenzen seiner Erkenntnis und seines Verständnisses, die Annäherung ans Unendliche, zu äußern, bezogen sowohl auf die prähistorische, als auch auf die zukünftige Welt. In den Werken Scalcos kehrt die Geometrie auf ähnliche Art und Weise, als Vorhandensein des nicht Erkennbaren, als exzentrische Erscheinung und Epiphanie, zurück, und schafft es, in den normalen Fluss der Dinge einzugreifen.
Diese Manifestationen bergen eine gewisse Logik, die ich mit dem Irrlicht (fuoco fatuo) in Verbindung bringen würde. In nächtlicher Umgebung, weit entfernt von jeglichem bewohnten Gebiet, an Orten, die sich schon eher in Richtung Unschärfe gestalten, findet eine Erfahrung von Diskontinuität statt, welche, dargestellt durch eine geheimnisvolle Zündung, sozusagen ein leuchtendes Zeichen wissenschaftlichen Ursprungs, das aber nicht als dieser Welt angehörig gesehen werden kann und mit chirurgischer Präzision eingesetzt wurde, die Interpretation der Realität zu erschüttern vermag.
In den neueren Arbeiten hat diese Formel der Kontraste zwischen Unschärfe und Genauigkeit, Formlosigkeit und Geometrie, welche im Hintergrund der Komposition auftauchen, eine andere Art der Gestaltung gefunden. Während die Welt vorher zwischen Bildlichkeit und Abstraktion auf dem Blatt Gestalt annahm, ist es nun das Blatt selbst, welches in den drei Dimensionen Raum schafft. Während sich die Geometrie vorher in der Flachheit des Papiers ausdehnte, streckt sich nun das konkrete Werk in der Umgebung aus. Es ist nicht mehr notwendig, Formen aufzuzeigen, denn das Werk selbst wird zum Leiter, zur geraden Linie. In einem sehr suggestiven Vorgehen scheint es, dass der Schleier, auf den sich unsere Eindrücke stützen, nicht niedergerissen, sondern eher gefaltet wird. Dadurch wird die Illusion, welche das menschliche Dasein ausmacht, am Leben erhalten und auf eine multidimensionale Weise zurückgewiesen. Wie es manchmal im Leben ist, werden der Schwerelosigkeit auf dem Papier Ordnung und Richtung verliehen, sodass man auch in der Realität klare spirituelle Wege findet, auch wenn im Chaos und in der widersprüchlichen Ungewissheit, diese natürlich erscheint.
In diesem Verlauf vom Blatt zur Konstruktion (oder umgekehrt) spielt Scalco mit den Formen, als ob sich von der Ebenheit des Blattes aus, eine immer größere Komplexität entwickeln würde. Aber worin besteht der Verlauf? Von der Leere zur Formation der Winkel, so nahe am geheimnisvollen Körper der Melancholia I von Albrecht Dürer (1514), oder andersherum, in den Willen der Vereinfachung, der jegliche Strenge des Lebens abbauen will, um die Leere zu erreichen, das Nichts, die nüchterne Gesamtheit des Blatts? In beiden Fällen ist es erstaunlich, wie sich dieser Gedanke im Papier entfaltet und überraschende Strukturen ohne zusätzliche Hilfsmittel aufbauen kann.
In diesem Verlauf, der in Richtung Leere geht, hat der Fakt, dass in den Werken Scalcos kein besonderes Thema vorzufinden ist, weder eine Geschichte erzählt, noch eine Situation beschrieben wird, obwohl die figurativen Verlinkungen unzählige sein könnten und der Autor selbst in Gleichgewicht zwischen anikonischem und darstellerischem Bereich bleiben möchte immer gleichzeitig skandalisiert und fasziniert. In der zeitgenössischen Kunst sind die Abwesenheit eines Arguments und die Aussage diesbezüglich kleine peinliche Tabus, die oft den Erfolg von soziopolitischen Diskussionen in den Ästhetiken kennzeichnen, in der Rückkehr zur Glosse der Realität zahlreicher Strömungen des 19. Jahrhunderts und präavantgardistischer Strömungen (Was bedeutet das? Was erzählt es mir?).
Wenn diese Substanz für manche als deficit wahrgenommen wird, muss man auch in Betracht ziehen, dass die Abwesenheit des Wortes von der Logik eines Werks ein Indiz für die Annäherung zum Unsagbaren ist, wo der Sinn nicht auf die Untermauerung von Buchstaben und Sätzen angewiesen ist. Grund für das Fehlen der Worte ist vielleicht die Annäherung an etwas Unbekanntes und Anderes, von dem man noch keine Erfahrung gemacht hat (von hier stammt die Schwierigkeit für den Kurator, über Dinge zu sprechen, für die keine Wörter notwendig wären oder für die keine angemessenen Wörter existieren).
Im bekannten Buch (2), das seine Kritik bezüglich gewissen Aspekten der zeitgenössischen Kunst beinhaltet, unterscheidet Jean Baudrillard zwischen zwei Arten von Leere in der kreativen Grammatik, mit denen er bis zu den Neunziger Jahren Erfahrung gesammelt hat. Bei der ersten handelt es sich um Gehaltlosigkeit und Nichtigkeit, eine fehlende Leere. Die andere hingegen ähnelt dem Heiligen, es ist ein Nichts, welches respektiert und betrachtet wird und uns von der zeitgenössischen Gesellschaft distanziert.
Aber die Nichtigkeit ist eine geheime Qualität, die nicht von jedem gefordert werden kann. Die Bedeutungslosigkeit - die wahre, die Sinnesfrage, die Enteignung des Sinnes, die Kunst der Beseitigung jeglichen Sinnes - ist eine außergewöhnliche Eigenschaft weniger rarer Werke, welche es an sich sind, ohne danach zu streben. (3)
In der heutigen Welt sind das Nichts, die Leere, die Abwesenheit von Wort und Bild wertvolle Mangelware. Die Möglichkeit, die Welt für einen kurzen Moment anzuhalten und still zu bleiben, wären unschätzbare Gaben, auf welche die Werke von Thoma Scalco auf eine gewisse Art andeuten. Es handelt sich um eine prägnante Suche nach der Nichtigkeit, die Ähnlichkeiten mit vielen Aspekten der orientalischen und orthodoxen Kultur aufweist und welche für den Künstler eine wichtige Untersuchungsquelle darstellt. Der Russe Kazimir Malevic hat in seinen suprematistischen Gemälden und theoretischen Reflexionen ebenfalls die spirituelle Verbindung hervorgehoben, welche das Streben nach Gesamtheit und den Willen zur Nullstellung zusammenfügt. Im Text Der suprematistische Spiegel aus dem Jahr 1923 vereint er diese zwei Kontrahenten und präsentiert sie als zwei Seiten derselben Medaille, indem er die Leere als Kanal für semantische Fülle aufwertet.
Die Welt als menschliche Andersartigkeit: Gott Seele Geist Leben Religion Technologie Kunst Wissenschaft Intellekt Weltauffassung Arbeit Bewegung Raum Zeit = 0
Die Wissenschaft und die Kunst haben keine Grenzen, da der Wissensgegenstand unendlich, nicht zählbar ist und die Unendlichkeit und die Unmöglichkeit des Zählens gleich Null sind. (4)
Scalco ist einer von wenigen, die noch den Gedanken aufrechterhalten, dass Kunst etwas ist, das paradoxerweise in der Lage ist, uns von der Welt und von uns selbst zu lösen, um in andere Dimensionen aufzusteigen, indem er sich von mondänen erklärbaren Grammatiken entfernt. Darum behält er stets eine muntere Achtsamkeit, wobei das kreative Schaffen nur in einem zweiten Moment die Realisierung eines Objekts als Ziel hat. Es ist in erster Linie eine Gelegenheit für Wachstum, wobei sich das Individuum mit sich selbst konfrontiert, mit dem anderen und mit der Welt, indem er der Leere Raum schafft. Das Werk-Objekt, ein fast sekundärer Zielpunkt dieses Prozesses, kommt durch die Übung zustande, die man mit dem Wort "Praxis" rechtfertigen kann, welches man üblicherweise bei künstlerischen Kreationen, aber nicht umsonst auch im Meditativen und Asketischen verwendet. Die Auseinandersetzung mit der Verwirklichung kennzeichnet eine neue Entwicklung der Recherche des Künstlers, welche entweder neue Wege ebnen oder andere versperren, verästeln oder verschiedene Gedankenflüsse vereinen kann. Im Ausstellungsraum - welcher als eine einzige große Installation wahrgenommen wird - ist dieser Pfad von Zeichen und leuchtenden Erscheinungen geprägt. Durch die Dynamik der Gegenüberstellung vom Chaos der Realität und Präzision der Idee entsteht die persönliche Bestrebung Scalcos, das Filigran der Leere aufzuzeichnen, um das Nichts zu materialisieren, das auch die Couleur der Ganzheit hat.
Gabriele Salvaterra
August 2018
Anmerkungen:
1. Jean Baudrillard, Illusione, disillusione estetiche, in Il complotto dell'arte, Milano, SE, 2013, p. 16.
2. Jean Baudrillard, Il complotto dell'arte, Milano, SE, 2013.
3. Ivi, p. 40-41, a seguire: "Quando il Nulla affiora nei segni, quando emerge nel cuore stesso del sistema di segni, ecco che si produce l'evento fondamentale dell'arte. È propriamente operazione poetica quella di far spuntare il Nulla dalla forza del segno - non già la banalità o l'indifferenza della realtà ma l'illusione radicale".
4. Kazimir Malevič, Lo specchio suprematista, in Gabriella di Milia (a cura di), Suprmatismo, Milano, Abscondita, 200, p. 125.


editorially checked



Exhibition information


Execution

Artist: Thomas Scalco


Vernissage

Introduction - Vernissage: Gabriele Salvaterra
Welcome - Opening day: Präsident Andreas Kondrak