EINE PEEP SHOW FÜR ASCHENPUTTEL

Der szenische Raum besteht aus einer kreisförmigen Plattform. Diese ist von 14 Einzelkabinen umgeben , in denen exakt 14 Zuschauer*innen Platz finden. So schafft der Raum  eine intime, fast heimliche Beziehung zwischen Schauspieler*innen und Zuschauer*innen.

In den 1920er Jahren wurde die Peepshow als Ort lustvoller Verführung und Sinnlichkeit in samtener Atmosphäre erdacht. Doch nun erhält die Peep Show eine zweite Chance: Das Teatro la Ribalta–Kunst der Vielfalt erschuf sie neu, sie wurde zum geeigneten Bühnenraum in einer Zeit der geschlossenen Theatersäle, denn sie ist ein Ort, der es möglich macht, physische Distanz zu garantieren ohne auf einen geselligen Theaterabend verzichten zu müssen. So wurde “Eine Peepshow für Aschenputtel” zu einer einzigartigen Live-Show.

„Aschenputtel“ ist ein Vorwand, eine Andeutung, welche die Themen Schönheit, äußerer Schein und Begehren dekonstruiert: Schönheit als Kultur des Sehens, die nicht nur Harmonie der Symmetrien und Proportionen bedeutet. "Peepshow" ersetzt den großen Ballsaal, wohin der Prinz auf der Suche nach einer Braut alle Mädchen im heiratsfähigen Alter geladen hat. In diesem Raum konkurrieren die Mädchen, um einen „Blick“ des Prinzen zu erhaschen; ein Wettbewerb, der schmerzhaft sein kann. Am Eingang zur Peepshow finden die Teilnehmer und Zuschauer einen Moderator, der ein bisschen wie Charon und ein bisschen wie Virgil aussieht und sie bei diesem Spiel begleitet.

Wie wir angeschaut werden und wie wir aussehen, ist für mich, ist für uns am Teatro la Ribalta-Kunst der Vielfalt, "das Thema", denn es ist der Horizont der Transformation, der Verschiebung, der Veränderung des Zustands, der sich durch unsere Aufführungen zieht. In diesen schlaflosen Nächten, in diesem "Gefängnis der Pandemie", dachte ich an die Peepshow: den Tempel des Voyeurismus, in dem wir, isoliert und allein, vor den Blicken der anderen verborgen, beobachten, und wie durch ein Fenster spähen. Die Peepshow respektiert die Normen der sozialen Distanzierung durch Einzelkabinen und sie sollte es uns ermöglichen, in der Covid-Zeit weiterzuarbeiten.

Aber dieses Projekt ist nicht nur ein Rettungsanker, um uns während dieser sozialen Distanzierung Sicherheit zu garantieren: die Peepshow ist ein einzigartiger theatralischer Raum, der über die Dimension der "Distanzierung" hinaus genutzt werden kann, denn sie ist auch ein dramaturgisches Mittel: Jemand späht ungesehen, wohl wissend, dass auf der anderen Seite jemand weiß, dass er beobachtet wird und die Verborgenen spielt. Getrennt durch ein Glas, das zur vierten Wand wird, erzählen wir in diesem szenisch-dramaturgischen Raum ein Märchen, nämlich das von Aschenputtel, das wir überarbeiten und neu interpretieren. (Anmerkungen des Regisseurs Antonio Viganò)