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Fotoausstellung: Nicola Morandini | THE PASSER RIVER PROJECT - Assonances

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Eröffnung: 15.07.2023, 19.00 Uhr

Ergebnisse einer fluvialen Synästhesie, [fast] eine Einführung | von Marco Cillis

Dieses Fotoprojekt ist nur auf den ersten Blick ein Wandern ohne Ziel, ein Schritt nach dem anderen, der Rhythmus bestimmt vom Gelände und vom Augenblick und immer das Rauschen der Passer im Ohr.
Vielmehr nimmt er uns mit auf eine Art säkulare - und doch sehr spirituelle - Pilgerwanderung, bei der die zu erkundenden, durch den Bach charakterisierten Talabschnitte in semiologischer Weise porträtiert werden mit ungewohnten Bildkombinationen, die neue Beziehungen offenbaren und ungeahnte Subtexte zuflüstern.
Wir heißen sie Assonanzen, Fotos, auf denen die ureigenste Form des Passeiertales verschmilzt mit den menschlichen Einflüssen, manchmal kaum ersichtlich wie der Fischer zwischen den Felsen, manchmal zufällig, manchmal raubgierig, meistens beeinflusst von der umgebenden Natur: eine Abfolge von unvollständigen Reimen, die unserem Vorstellungsvermögen Tür und Tor öffnet.
Was verbindet die rostigen Eisenstücke, die über der Gischt des Baches schweben, mit den Furchen, die die Zeit in die Felsen gefressen hat? Warum wird eine Wolke, die sich im Wasser widerspiegelt, einem Kieshaufen mitten in einer Wiese gegenübergesetzt? Welches ist die Logik eines frisch geschorenen Alpakas, das einem monströsen, durch Wasser geformtes Holzwesen in die Augen schaut?
Es handelt sich im Grunde um ein Spiel mit einfachen Regeln, es geht darum, die Aufnahmen rhythmisch zu ordnen, Affinitäten zu erkennen im unterschiedlichen Spiel der Materialien, oder - wie im Fall des verlassenen Hotels - die Beziehung zwischen Innen und Außen durch dasselbe Objekt zu erzählen. Die Fotografie erzählt eine Geschichte, die noch zu schreiben ist, oder besser gesagt, die mit ständig wechselnden Schriftbildern in den Augen der Zuschauer geschrieben wird, die bereit sind sich vom Rauschen der Passer leiten zu lassen, die nicht weit entfern fließt.
Es ist offensichtlich, dass das Gehen eine ästhetische Erfahrung annimmt, genauso wie der Moment des Innehaltens - der dem fotografischen Festhalten entspricht - ein wunderbarer Moment, in dem sich die Landschaft unserem Auge offenbart, am Höhepunkt einer fluvialen Synästhesie: Der Rhythmus des Wassers, das in rascher Folge die Stauwerke überspringt, die wilden, kristallklaren Laute der Wasserstrudel oder das pfeilschnelle Dahingleiten zwischen den Felsen oder wenn das Wasser zu verdunsten und sich mit seiner Frische auf die Haut des Betrachters zu legen scheint.
Die erzählerische Kraft des Wildbachs, vom Timmelsjoch bis in die Stadt Meran, schenkt uns Bilder, die die Fantasie anregen; sogar ein Badeanzug, vergessen in den Büschen, lädt ein zum Weiterdenken, aber das ist eine andere Geschichte…

So wandern wir in Richtung Heiliges Land, bis die Sonne eines Tages heller scheint als je zuvor und unseren Geist und unser Herz erleuchtet und unser ganzes Leben mit einem großen Licht erhellt, das uns wiederbelebt, warm, heiter und golden, wie ein Herbststrahl am Ufer eines Flusses.
Thoreau, Vom Wandern, 1862

Nicola Morandini (Brescia, Italien, 1970) hat einen Universitätsabschluss in Forstwirtschaft. Er nahm an Workshops mehrerer italienischer Meister der Fotografie teil, darunter Davide Monteleone, Alex Majoli und Guido Guidi. Seine Arbeit konzentrierte sich anfänglich in erster Linie auf Sozialreportagen. Seit einiger Zeit richtet er seine Aufmerksamkeit vermehrt auf das Landschaftsbild, um das Außergewöhnliche im Alltäglichen festzuhalten.
Seit 2016 ist er Mitglied des Kulturvereins 00A, der nach einer Idee von Christian Martinelli in Meran gegründet wurde, um einen temporären Raum für Ausstellungsveranstaltungen zur Wertschätzung der analogen Fotografie zu schaffen und den Dialog über die zeitgenössische fotografische Kultur zu fördern

https://www.nicolamorandini.it/